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Martin-Kaltenbach-Herzkatheterlabore 

Frankfurter Herzgeschichten
Prof. Jürgen Graf, Prof. Kaltenbach und Prof. Leistner

Der Kardiologie Prof. Martin Kaltenbach hat während seiner aktiven Zeit am Universitätsklinikum Frankfurt sein Fachgebiet weltweit geprägt, insbesondere durch Fortschritte in der Herzkathetertechnik. So war Prof. Kaltenbach einer der ersten Mediziner, der es wagte, Verengungen der Herzkranzgefäße mit einem Ballon zu behandeln. Um diese Pionierleistung zu würdigen, haben die Herzkatheterlabore jetzt einen neuen Namen erhalten. Am Abend des 11. Januar 2023 wurden sie - in Anwesenheit des 94-Jährigen - in ,,Martin-Kaltenbach-Herzkatheterlabore" umbenannt. Die Ehrung erfolgte im Rahmen von Prof. David M. Leistners Antrittsvorlesung als neuer Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Anlässlich seines Amtsantritts im Oktober 2022 war Prof. Leistner schon einmal mit dem Kardiologen Prof. Kaltenbach zusammengetroffen. Die beiden Herzspezialisten trennen altersmäßig einige Jahrzehnte, aber keine Welten. Beide haben ihr Herz an die Weiterentwicklung der interventionellen Kardiologie am Universitätsklinikum Frankfurt gehängt. Vor 46 Jahren gelang Prof. Kaltenbach mit einer neuen Kathetertechnik ein Meilenstein der Herzmedizin. Nicht nur aus diesem Grund gilt er als einer der Wegbereiter der moderenen Kardiologie. Diese erfolgreiche Frankfurter Tradition will Prof. Leistner für die Zukunft aufgreifen und personalisierte interventionelle Therapieverfahren für Herz-Patient:innen weiterentwickeln. 

Medizinische Pionierleistungen bilden die Grundlage der modernen Krankenversorgung

Prof. Kaltenbach führte 1977 als Leiter der Kardiologie am Universitätsklinikum Frankfurt einen medizinischen Eingriff durch, der Geschichte geschrieben hat: Mittels eines Ballonkatheters wurde erstmalig in Deutschland und zum zweiten Mal weltweit ein verengtes Herzkrankzgefäß geweitet. Bei dieser Technik wird über arterielle Gefäße an der Leiste, Ellenbeuge oder am Handgelenk ein sehr dünner Führungsdraht eingeführt, der die Engstelle des Herzkranzgefäßes passiert. Mit Hilfe eines Kontrasmittels können die Gefäße auf einem Monitor sichtbar gemacht werden. Dann folgt die Einführung des Ballonkatheters, der an der betroffenen Stelle aufgeblasen wird und so das Gefäß weitet. Der minimal-invasive Eingriff macht es möglich, dass in vielen Fällen große und risikoreiche Herzoperationen vermieden werden können.

,,Heute ist die sogenannte Ballondilatation ein Standardverfahren beispielweise beim akuten Herzinfarkt, um verschlossene Kranzgefäße wieder zu öffnen", erklär Prof. Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzdender am Universitätsklinikum Frankfurt. ,, Patient:innen auf der ganzen Welt profitieren von dem Verfahren, das dank medizinischer Koryphäen wie Prof. Kaltenbach in Frankfurt entscheidend vorangetrieben wurde und die schonende, moderne Herzkathetermedizin mitbegründet hat. Vor 46 Jahren brauchte es bei der Verwendung der neuartigen Technik Zuversicht und Innovationskraft." Nicht zuletzt deshalb hat sich die Klinik für Kardiologie und Angiologie entschlossen, die Herzkatheterlabore am Universitätsklinikum FRankfurt nach Prof. Kaltenbach zu bennenen. Der 94-Jährige nahm die Ehrung heute im Rahmen der Antrittsvorlesung von Prof. Leistner entgegen. 

Inspiration für Herzforschende 

Prof. Leistner weiß um die wertvolle Pionierarbeit des Fachkollegen. Er ist selbst renommierter Spezialist für die Behandlung von Herzerkrankungen per Kathetertechniken. ,,Die Ziele und Hoffnungen von Kardiologiepionieren wie Prof. Kaltenbach, dass Herzkathetertherapien die risikoreicheren chirurgischen Eingriffe ersetzen aollen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten erfüllt", resümiert Prof. Leistner. ,, Nachfolgende Mediziner:innen haben die Therapieverfahren weiterentwickelt, auf der die moderne interventionelle Kardiologie basiert. Wir bauen am Universitätsklinikum Frankfurt darauf auf. An unserem Herz- und Gefäßzentrum entwickeln und etablieren wir derzeit eine innovative Präzisionsherzmedizin. Dies wäre ohne die Vorarbeit von Prof. Kaltenbach undenkbar gewesen. Insofern ist die Bennennung der Herzkatheterlabore am Universitätsklinikum Frankfurt nach Prof. Martin Kaltenbach ein Zeichen der Würdigung und Dankbarkeit, aber auch Inspiration für alle nachfolgenden Kolleg:innen in der Frankfurter Herzmedizin".

Hightech-Herzmedizin - made in Germany und Frankfurt

In seiner Antrittsvorlesung gab Prof. Leistner einen Einblick in die Katheterentwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Bereits 1929 hatte der deutsche Mediziner Werner Forßmann die erste dokumentierte Herzkatheterisierung durchgeführt - in einem Selbstversuch. 27 Jahre später erhielt er für seine in der Fachwelt lange nicht wahrgenommenen Errungenschaften der Nobelpreis für Medizin. 1964 war der US-Amerikaner Charles T. Dotter mit einer minimal-invasiven Behandlung einer Gefäßverengung erfolgreich. Aber erst der Dresdner Andreas Grüntzig entwickelte die Dotter-Methode weiter bis zur Dehnung eines Gefäßes per Ballon. Gemeinsam mit Prof. Kaltenbach unternahm er die erste deutsche Ballonkatheteranwendung am Universitätsklinikum Frankfurt. Die therapeutischen Entwicklungen, die mit der ersten Ballondilatation begonnen haben, wirken über die koronaren Herzerkrankungen hinaus. Die verbesserte Art der Katheterintervention ist auch auf die Arterien anderer Organe anwendbar. In der Herzmedizin können heute per Kathetertechnik sowohl Herzklappen ersetzt als auch Herzrhythmusstörungen behandelt werden - dank der ersten Schritte, die im Universitätsklinikum Frankfurt unternommen werden.

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Elektrisierende Therapie von Herzrhythmusstörungen

Prof. Wakili und Patientin Frau Iris S.
Prof. Wakili und Patientin Frau Iris S.

Die Geschichte von Iris S.

Glück, Zufall oder Schicksal - wie immer man es nennen mag - haben offentsichtlich bei der Geschichte der Herzpatientin Iris S. eine Rolle gespielt. Letzendlich sorgten allerdings hervorragende ärztliche Expertise und medizinische Technik am Herzzentrum des Universitätsklinikum Frankfurt für das glückliche Ende einer langen Leidenszeit.

Iris S. hatte ein Abonnement eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins als Geschenk erhalten. Darin fand sie eines Tages eine Beilage über Herzrhythmusstörungen, inklusive eines Berichts über einen Arzt am Universitätsklinikum Essen, der mit einer neuartigen Therapie vorgestellt wurde. Das beschriebene Verfahren konnte ihre Herzprobleme beheben, hoffte Iris S. ,,Aber da ich im Großraum Frankfurt lebe und keinen Gesundheitstourismus  betreibe, kam eine Behandlung in Essen für mich nicht infrage", sagt die 63-Jährige. Stattdessen telefonierte sie herum, um zu erfahren, ob eine Klinik in der Umgebung diese Methode anbietet. Ohne Erfolg. Am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) erhielt sie jedoch den Hinweis, dass ebenjener Arzt bald vor Ort einen Vortrag über Herzrhythmusstörungen halten werde. Iris S. meldete sich sofort an. ,,Nach dem Vortrag habe ich das Gespräch mit dem Professor gesucht und erfahren, dass er in zwei Monaten an das Universitätsklinikum Frankfurt wechseln wird. Ein absoluter Glücksfall für mich", erzählt Iris S., die selbst in einem Gesundheitsberuf, als medizinisch-technische Assistentin, arbeitet.
 

Der Professor heißt Prof. Dr. Reza Wakili und ist Spezialist für interventionelle invasive Elektrophysiologie. Die Elektrophysiologie beschäftigt sich mit der elektrischen Akitivität des Herzens und mit der Behandlung von Herzrhythmusstörungen. ,,Man kann das Herz grundsätzlich in drei Komponenten aufteilen, welche für die Funktion hauptrelevant sind: der Herzmuskel als solcher, die Gefäße und die "Herzelektrik", erklärt Prof. Dr. Wakili. ,,Jeder gesunde Mensch hat einen Herzmuskel, der als mechanische Pumpe fungiert, Gefäße, die den Herzmuskel mit Energie und Sauerstoff versorgen, und eine Impuls- und Frequenzsteuerung, welche mittels des elektrischen Leitungssystem gewährleistet wird. Die gesamte Hermuskulatur ist durchzogen mit elektrischen Fasern und hat zwei Knotenpunkte, der Impulsgeber des Herzens ist der Sinusknoten. Er gibt vor, wie schnell das Herz schlagen soll - beim Sportler schneller, im Schlaf langsamer. Das Verständnis von elektrischer Aktivität und die Analyse von elektrischen Akitiviätsmustern in Bezug auf Herzrhythmusstörungen, die sogenannte kardiale Elektrophysiologie, sind mein fachlicher Schwerpunkt." Bereits während seiner Habilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität München hatte Prof. Dr. Wakili eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema gegründet. 2017 wurde er auf eine W2-Professur für Elektrophysiologie am Universitätsklinikum Essen berufen.
Anfang 2023 übernahm er die stellvertretende Leitung der Medizinischen Klinik 3: Kardiologie, Angiologie und die Leitung der Rhythmologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Die Therapie, die Iris S. buchstäblich elektrisiert hatte, wurde von Prof. Dr. Wakili maßgeblich in der Entwicklung begleitet und als ersten Arzt in Deutschland auch klinisch angewendet. Der Herzspezialist forscht schon länger zu den Einsatzmöglichkeiten des sogenannten Elektrofischkatheters. Die Funktionsweise des Katheters haben sich die Forschenden von einem Phänomen in der Natur abgeguckt: Der afrikanische Elefantenrüsselfisch manövriert mithilfe eines elektrischen Feldes, mit dem er Widerstände, elektrische Eigenschaften von Gegenständen und Entfernungen wahrnimmt - ähnlich einer Einparkhilfe im Auto, erklärt Prof. Dr. Wakili. ,,Wir machen uns das Navigationsprinzip dieses Fisches zunutze und eruieren mithilfe eines vom Elektrofischkatheter ausgesendeten elektrischen Feldes, wo sich erkrankte Herzmuskelzellen befinden, wie tief wir bei der Ablation ins Gewebe eindringen müssen, und wie nachhaltig der Effekt auf die Zellen ist."

Elektrophysiologischer Katheter

In vielen Fällen kann der Katheter zu einer schnellen und sicheren Ablation, also Verödung, bei Herzrhythmusstörungen beitragen. Allerdings eignet er sich nicht zur Behandlung aller Rhythmusstörungen, weil in bestimmten Fällen großflächig verödet wird. ,,Aber wenn es um eine präzise, millimetergenaue Ablation unter maximaler Kontrolle von Sicherheit und Effizienz geht, ist der Elektrofischkatheter sicherlich einer der besten", urteilt Prof. Dr. Wakili.

,,Wir haben am Universitätsklinikum Frankfurt seit meinem Amtsantritt Anfang 2023 mehr als 200 Herzkatheterprozeduren durchgeführt und circa die Hälfte davon mit diesem Katheter." Zweimal war die Patientin Iris S. darunter. Sie hat eine lebenslange Leidensgeschichte mit kompexen Herzerkrankungen und -therapien hinter sich. 
Mit elf Jahren litt sie an rheumatischen Fieber, das einen Mitralklappenfehler zur Folge hatte. Eine Anuloplastie, die Implantierung eines Halterings, der die Dichtigkeit der Klappe wiederherstellen soll, verlief 2018 nicht komplikationslos. Zwei Jahre später wurde festgestellt, dass die Mitralklappe erneut undicht war. ,,Beim Treppensteigen habe ich kaum noch Luft bekommen", erzählt die Patientin. ,,Insgesamt war ich körperlich und seelich immer weniger belastbar. Ich spürte förmlich, dass mein Herz ein Pulverfass, das jederzeit explodieren konnte." 2020 wurde eine erneute OP unumgänglich, wieder spürte sie Nebenwirkungen. Mehrere Kardioversionen - Stromstöße, mit denen das Herz in den Takt gebracht wird - folgten, ohne nachhaltige Wirkung. Im Herbst 2022 fand das Treffen mit Prof. Dr. Wakili statt, auf das Iris S. große Hoffnungen setzte.

Im Rahmen einer ersten Untersuchung kam im Herzzentrum des Universitätsklinikum Frankfurt moderen 3D-Mapping-Technologie zum Einsatz. ,,Ein Mapping-Katheter sieht ein bisschen so aus wie ein Schneebesen", erklärt Prof. Dr. Wakili. ,,Auf jedem seiner acht Arme sitzen feine Elektroden. Damit erstellen wir ein hochauflösendes dreidimensionales Modell des Herzens, inklusive seiner elektrischen Aktivität. Dort, wo der Herzmuskel bereits zerstört ist, erkennen wir kranke elektrische Akitivität." Bei Iris S. stellte sich heraus: Ihr Herz war bereits so vorgeschädigt, dass eine unmittelbare Ablation einen Herzstillstand zur Folge gehabt hätte. Deshalb wurde entschieden, zunächst eine prophylaktische Schrittmacherimplantation und erst im zweiten Schritt eine Ablation vorzunehmen. Hierbei kam der Elektrofischkatheter zum Einsatz. ,,Wenn wir die kranken Stellen identifiziert haben, die die pathologischen Herzrhythmen entwickeln, werden sie verödet, damit sie den falschen Rhythmus nicht erneut entstehen lassen", erklärt Prof. Dr. Wakili. Der Arzt tastet sich mit dem Katheter vorsichtig an die Stellen heran. Erst bei der zweiten Anwendung war die Ablation bei Iris S. tief und nachhaltig genug, um sie von der Herzrhythmusstörung zu befreien.

Reza Wakili mit Elektrofischkatheter

Ein halbes Jahr später lebt Iris S. zwar mit Nebenwirkungen vorangegangener Therapien, aber die Rhythmusstörungen sind dank des Schrittmachers und der Ablationen im Herzzentrum des UKF erst einmal vorbei. Treppensteigen ist wieder ohne Atemprobleme möglich. ,,Ich bin sehr froh über die Zufälle, die mich zum UKF geführt haben", sagt Iris S. ,,Ohne das Geschenkabonnenment hätte ich das Magazin nicht gelesen. Dann hält ausgerechnet der darin beschriebene Professor am Universitätsklinikum FRankfurt einen Vortrag. Kurz darauf fängt er auch noch in der Klinik für Kardiologie am UKF an. Das sind gleich drei Winke des Schicksals, die ich glücklicherweise nicht ignoriert habe."

Auf die schicksalhaften Umstände, die Iris S. zu Prof. Dr. Wakili geführt haben, folgte ein individualisiertes Therapiekonzept, wie es nur ein spezialisiertes Zentrum wie das Herzzentrum am UKF anbieten kann. ,,Unsere Vision ist es, auf lange Sicht eines der modernsten Herzzentren in Europa und ein international renommiertes Zentrum für schwierige Fälle von Herzrhythmusstörungen wie die von Iris S. aufzubauen", resümiert Prof. Dr. Wakili. ,,Modernste Mapping- und Ablationssysteme ermöglichen es uns schon heute, diese komplexe Fälle individualisiert zu behandeln. Und wir haben am Universitätsklinikum Frankfurt die Möglichkeit, über die invasive Behandlung hinaus zu agieren: Am Zentrum für plötzlichen Herztod und familiäre Arrythmiesyndrome hier am UKF werden die Risiken von Herzerkrankungen erforscht. Maximalversorgung mit maximaler Expertise, eingebettet in einen wissenschaftlichen Kontext - darin sehe wir unsere Aufgabe und die der Universitätsmedizin."

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