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Frankfurter Goethe-Uni beschließt Zehn-Punkte-Plan, um Gender und Diversität mehr zu beachten

Die Goethe-Universität möchte ein Frauen-Herzzentrum aufbauen. Das „Women’s Heart Health Center Frankfurt“ soll der besseren Patientinnenversorgung dienen, aber auch der gendersensitiven medizinischen Forschung und Lehre. „Hier mehr Expertise zu erlangen, kann die Medizin in Deutschland einen großen Schritt nach vorn bringen“, sagt Kardiologin Lena Marie Seegers am Mittwoch. Die Fachfrau hat zwei Jahre an der Harvard Universität in Boston zu geschlechtsspezifischen Unterschieden der Herzkranzgefäße geforscht.

Dazu aber später mehr. Denn die Hochschule möchte nicht nur im naheliegenden Bereich Medizin künftig stärker auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, überhaupt auf mehr Geschlechtervielfalt in ihrer Forschung achten, sondern in allen Fachbereichen. Von Wirtschaft über Physik bis zu Erziehung und Politik. Wenngleich es bei der Erforschung eines Schwarzen Lochs sicher schwer werden dürfte, auf Vielfalt zu achten, wie Unipräsident Enrico Schleiff launig sagt. Aber wenigstens Gedanken darüber machen sollen sich die Kolleginnen und Kollegen bitteschön. Nicht nur, „weil das auch für Projektanträge an Bedeutung gewinnt, sondern weil wir überzeugt sind, dass wir damit zu valideren Forschungsergebnissen kommen“.

Dazu hat die Universität einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet und am Mittwoch präsentiert. Darin beschreibt sie den aktuellen Stand und konkrete Ideen und Ziele. So soll geschlechtersensitive Forschung nicht nur im Hochschulentwicklungsplan verankert sein, sondern auch in internen Ausschreibungen eingefordert werden, auch in der Ausbildung und Weiterqualifizierung. Man will „Wissenschaft auf die Bedarfe möglichst aller Menschen“ ausrichten, sagt Schleiff. Das sei auch ein Signal nach innen. „Wenn wir moderne, erfolgreiche Wissenschaft betreiben wollen, kommen wir ohne den Blick auf Geschlechterunterschiede nicht mehr aus.“

Da ist das eingangs erwähnte Herzzentrum für Frauen natürlich ein leuchtendes Beispiel. Bei Medikamentenstudien sind etwa 70 bis 80 Prozent der Untersuchten Männer. Wenn aber Medikamente „nicht gleichermaßen und differenziert an Frauen wie Männern erprobt sind, wird ihre passgenaue Anwendung schwierig sein“, sagt David Leistner, Professor aus der Kardiologie des Universitätsklinikums. Ganz zu schweigen von Fragen der Medikation bei Transgender-Menschen. Dosiert man da nach dem früheren oder dem erreichten Geschlecht? Umso mehr freue er sich, Kollegin Seegers „von außerhalb“ eingeworben zu haben.

Lena Seegers

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Frische Forschungsansätze scheinen bitter nötig. „Frauen haben in Deutschland ein deutlich höheres Risiko, an einem Herzinfarkt zu versterben als Männer“, sagt Seegers nüchtern. Sie entwickeln andere Symptome als Männer, das erschwert die Diagnose, ergänzt Leistner, sie werden aber oft behandelt wie Männer, obwohl sie kleinere, vulnerablere Gefäße hätten.

„Frauen ignorieren kardiovaskuläre Symptomatiken oft, weil sie ein Leben lang an Schwankungen im Wohlbefinden gewöhnt sind“, sagt Seegers noch. Und dann ist auch Frau nicht gleich Frau. Alter, Erfahrungen aus der Schwangerschaft, Menopause, alles Elemente, die bei der Behandlung Rolle spielen könnten. Oder müssten?

Jetzt fehlt es nur am Geld. Ein so großes Zentrum, das Forschung, Lehre und Versorgung der Patientinnen und Patienten einbeziehe, das gebe es in Deutschland nicht, wirbt Seegers. Das kostet aber auch. Ein entsprechender Antrag auf Finanzierung liege dem Land Hessen vor. Die Antwort stehe aus. Auch dafür ist so ein Zehn-Punkte-Paukenschlag gut: Druck machen.

Beitrag in der Frankfurter Rundschau